Viele Non-Profit-Organisationen in Deutschland fühlen sich derzeit angegriffen. Zuerst die 551 Fragen der CDU-Fraktion, dann eine neue Initiative, die mehr Transparenz bei der Mittelvergabe fordert. Warum werden NGO so an den Pranger gestellt und ist Fundraising ein Ausweg?
Von Matthias Daberstiel
Jahrzehntelang gab es den Dreiklang zwischen Markt, Staat und den zivilgesellschaftlichen Organisationen, deshalb auch Dritter Sektor genannt. Dieser Sektor war auch schon immer politisch und trat als Interessenvertretung für seine Ziele auf. Das war und ist sicher unbequem. Er ist aber auch Partner, um viele Projekte und Programme der Regierung umzusetzen, auch um den Preis von Anpassung und teilweise Verbiegung, um in den Genuss öffentlicher Fördermittel zu kommen.
Schon länger gibt es den Vorwurf, der besonders aus rechten Kreisen lanciert wird, hier würde mit Steuermitteln Politik gemacht. Und die Politik hätte ein Interesse daran, um ihre Ziele umzusetzen. Das ist zwar recht durchsichtig, verfängt aber offenbar genug, dass nun auch konservative und sogar liberale Politik auf diesen Zug aufspringt. „Alle Förderungen von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) durch die Bundesregierung auf den Prüfstand stellen. Keine Finanzierung linker Vorfeldorganisationen durch Steuermittel“, hieß es beispielsweise im Wahlprogramm der CSU 2025.
Politik grenzt sich von NGO ab
Rupert Graf Strachwitz, langjähriger Leiter des Maecenata-Instituts und Experte für den Dritten Sektor, macht zwei Gründe aus, warum jetzt die Politik versucht, NGO und sogar die Kirchen einzuhegen. Erstens „ist es ein Versuch, alle außer den politischen Parteien von der Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess auszuschließen.“ Und zweitens stellt der Staat plötzlich seine enge und durchaus fruchtbringende Beziehung zu den NGOs in Frage. „Es wird unterstellt, wer die Macht dazu habe, nutze die Förderpolitik einseitig dazu, diese Macht zu erhalten. Das war immer und ist auch heute richtig; allerdings: Der Staat und alle die Politik beherrschenden Parteien haben es immer so gewollt und betrieben. Daraus einen Generalangriff auf die Zivilgesellschaft zu machen, ist unfair, kurzsichtig und in der Krise unserer Gesellschaft kontraproduktiv“, schreibt er in einem Policy Paper für das Maecenata Institut. Denn die Zivilgesellschaft übernimmt schon lange Aufgaben, die der Staat gar nicht mehr organisiert.
Gerade aus dieser Abhängigkeit erwächst nun den NGO oder zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO), wie sie Graf Strachwitz nennt, ein Angriffspunkt. Ihre staatlich erhaltenen Förderungen werden von Organisationen, Parteien, Ideologen und auch Medien als Waffe gegen sie eingesetzt. Suggeriert wird, dass hier ein geheimer Komplex aus Staat und NGO woke Politik mache und Gelder zur Selbstbedienung verschwendete. Wohin das führt, sieht man aktuell in den USA. In anderen Ländern wie Ungarn, Georgien oder Russland werden NGO als „ausländische Agenten“ diskreditiert und kontrolliert. Dabei geht es diesen Organisationen oft um Gleichheit, Menschenrechte, Freiheit und Selbstbestimmung, Dinge, die unsere Demokratie ausmachen.
Gemeinsame Linie finden
Aktuell betroffen sind in Deutschland Akteure, die politisch auftreten oder sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Aber auch Organisationen, die in der internationalen Hilfe auftreten. Stichwort: Fahrradwege in Peru. Gerade für Nationalisten und Identitäre sind gemeinnützige Organisationen ein Bremsklotz für ihre extremistische Politik von „Deutschland First“. Das nun auch Medien von Welt und Springer oder die CDU mit ihren 551 Fragen auf den Zug aufspringen, ist allerdings neu. Doch was können die Organisationen dagegen tun?
Rupert Graf Strachwitz schlägt vor, das Klagen über die Situation hinter sich zu lassen und lieber „eine gemeinsame Positionierung gegen Übergriffe von Staat und Parteien“ zu entwickeln, „um im öffentlichen Raum wie schon immer konstruktiv und unabhängig an der Entwicklung der Demokratie teilnehmen zu können.“ Doch dafür braucht es schlagkräftige Allianzen. Die Welt der gemeinnützigen Organisationen ist aber zerstückelt. Jeder verfolgt seine Eigeninteressen. Und das deutsche „Bündnis für Gemeinnützigkeit“, was schon wegen seines Namens und der Zusammensetzung prädestiniert wäre, fällt immer wieder durch öffentliches Schweigen, statt durch Aktivität auf. Selbst zu den 551 CDU-Fragen konnte man sich wegen eines Mitglieds nicht zu einer gemeinsamen Erklärung durchringen.
Fundraising gewinnt an Bedeutung
Und es braucht eine stärkere Abgrenzung vom Staat. Das erfordert aber auch eine neue, unabhängigere Finanzierung, die insbesondere für das Fundraising relevant ist. Rupert Graf Strachwitz fordert: „Unterstützt von Wissenschaft, Beratung und nicht-staatlichen Geldgebern muss in der Zivilgesellschaft ein Prozess der kreativen Suche nach neuen und Verbesserung der bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten einsetzen, der sich sowohl auf erweiterte Möglichkeiten der Selbsterwirtschaftung als auch auf intelligente Methoden des Fundraising erstreckt. Unabhängigkeit durch Finanzierungsmix muss das Ziel sein. ZGO müssen lernen, die Themen, die ihnen wichtig sind, und nicht ihre eigenen Leistungen und Nöte in den Mittelpunkt ihrer Außendarstellung zu stellen. Private Geldgeber müssen lernen, dass die Förderung von Prozessen einschließlich des Fundraisings wirksamer ist als die einfache Finanzierung von Projekten.“
Neu ist die Forderung nach mehr Transparenz auch nicht. Das begleitet NGO schon sehr lange. NGO sollten auch nichts zu verbergen haben. Vom politischen Gegner wird sonst zu leicht kolportiert, dass hier etwas im Argen liegt. Das macht er allerdings auch, wenn Transparenz da ist. So zu beobachten bei der neuen „Initiative transparente Demokratie“. Diese Initiative möchte NGOs verpflichten, ihre Geldströme offenzulegen, ignoriert aber geflissentlich, dass es bereits ein Lobbyregister oder öffentlich einsehbare Fördermittelvergaben gibt, die das leisten. Lobby-Control stellt deshalb in einer Analyse dieser neuen Organisation fest, dass sie selbst gar nicht so unabhängig ist, wenn man sich ihre Mitglieder anschaut, die teilweise seit Jahren gegen Umweltverbände agieren.
Freiwillig mehr Transparenz
Dass es generell weitere Verbesserungen in der Transparenz gemeinnütziger Organisationen geben muss, ist aber auch klar. Zwar müssen Vereine regelmäßig ihrem Finanzamt berichten und rechtsfähige Stiftungen ihrer Stiftungsbehörde. Doch gemeinsame Initiativen wie die „Initiative transparente Zivilgesellschaft“ dümpeln seit Jahren vor sich hin. Nur knapp 2.000 Organisationen machen dort freiwillig mit. Ein Armutszeugnis angesichts von nur zehn Fragen, die man beantworten und aktuell halten müsste. Das hat nun auch der Träger der Initiative Transparency International erkannt und will eine Person einstellen, die sich zumindest 20 Stunden pro Woche um dieses Thema kümmert.
Die Gegner unabhängiger und schlagkräftiger zivilgesellschaftlicher Organisationen werden solche Initiativen geflissentlich ignorieren oder selbst zum Ziel machen. Doch was ist mit der breiten Öffentlichkeit? Werden sie den Narrativen von Feinden der Demokratie verfallen, nur weil die progressiven Kräfte es nicht schaffen, selbst positive Narrative für gemeinnützige Organisationen zu entwickeln und mit einer Sprache zu sprechen? Kann man sich in dieser Zeit Intransparenz leisten?
Diskreditierung gleich Mittelkürzung
Erste Initiativen gibt es. VENRO, der Deutsche Spendenrat e.V., der Deutsche Fundraising Verband, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V., der Deutsche Bundesjugendring und der Deutsche Naturschutzring haben angesichts von Falschbehauptungen in Medien und Politik zu gemeinnützigen Organisationen gerade ein Statement veröffentlicht. Darin heißt es: „Zivilgesellschaftliches Engagement ist ein zentraler Bestandteil einer offenen Gesellschaft, in der Vielfalt und Mitbestimmung nicht als Bedrohung, sondern als Stärke verstanden wird.“ Verwiesen wird auf die 30 Millionen Bürger die sich in den vielen Organisationen freiwillig engagieren. Kritisch ist anzumerken, dass leider wieder vergessen wurden, die über vier Millionen hauptamtlich Beschäftigten, die von einer Beschädigung des Dritten Sektors direkt betroffen wären, zu erwähnen. Denn allein die Haushaltskürzungen in Bund und Ländern sorgen aktuell bereits jetzt für Stellenverluste. Öffentlich diskreditierten Organisationen Mittel zu kürzen, ist für die Politik auf jeden Fall viel einfacher, als das bei legitimen, transparenten, öffentlich aktiven und mit einer Stimme sprechenden Organisationen zu tun.
Bildquellen
- Transparenz: pxhere.com