CDU-CSU gefährden Spendenbereitschaft

Diese kleine Anfrage der CDU schaffte es bis in die Tagesschau: 551 Fragen stellte sie der Regierung als Noch-Oppositionspartei zum Thema Finanzierung verschiedenster gemeinnütziger Organisationen und ihrem Recht. sich politisch zu äußern. Der Ton, die darin enthaltenen Unterstellungen und die Bedienung rechter Narrative lassen nicht nur in NPOs die Alarmglocken schrillen.

Es ist selten, dass es parlamentarische Anfragen schon vor der Beantwortung bis in die Nachrichten schaffen. Normalerweise werden solche Anfragen von der Opposition genutzt, um die Regierung zu kontrollieren und Informationen sowie Stellungnahmen zu erhalten. Die zwei Tage vor der Bundestagswahl eingereichte Kleine Anfrage der CDU-CSU-Fraktion „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ mit 551 Fragen sprengt da alles bisher Dagewesene.

Retourkutsche für Demonstrationen?

Doch was war eigentlich passiert? Nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU/CSU und AfD im deutschen Bundestag für eine verschärfte Migrationspolitik gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, um für Demokratie und gegen ein Zusammengehen der Union mit der vom Verfassungsschutz als teilweise gesichert rechtsextrem eingeschätzten AfD zu protestieren. Tagelang musste sich die Union kurz vor der Wahl für ihr Verhalten rechtfertigen. Wahr ist, dass an diesen Demonstrationen auch viele zivilgesellschaftlich aktive Organisationen teilnahmen.

Insgesamt 17 Organisationen und Medienschaffende sind nun in der kleinen Anfrage der CDU/CSU genannt. Allein zu den „Omas gegen Rechts“, immerhin Träger des Aachener Friedenpreises und mehrerer anderer Auszeichnungen, werden 25 Fragen gestellt. Dabei fällt besonders die Sprache auf, die an den Duktus der neuen Rechten oder der identitären Bewegung erinnert. Da ist von „Eine(r) Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“ die Rede, wodurch so der Bezug zur Regierung hergestellt wird, die diese Strukturen angeblich finanziert. Im Fokus stehen aber klar „Proteste gegen die CDU, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden.”

Journalistenverband kritisiert scharf

Correctiv, gemeinwohlorientiertes Medienhaus und journalistischer Rechercheverbund, ging sofort in die Offensive und beantwortete die Fragen einfach, „weil die Bundesregierung sie zu großen Teilen gar nicht beantworten könnte“, wie es auf der Website heißt. Denn viele der Fragen beziehen sich auf interne Prozesse in den Organisationen. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) reagierte prompt: „Die ‚Kleine Anfrage‘ operiert im Wesentlichen mit in Frage gegossenen Unterstellungen. Die Stoßrichtung dieses Katalogs wird so von den Beteiligten als Drohung empfunden. Wir fordern daher dringend die Rücknahme der Absätze, die Journalistinnen und Journalisten betreffen.“

Auch die Reaktion aus dem Lager der gemeinnützigen Organisationen kam prompt. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stellte klar: „Der BUND setzt keine Fördergelder von Bundes- und Landesregierungen für die Beteiligung an Demonstrationen ein. Uns geht es darum, den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft und der Parteien zu stärken.“ Er zeigte sich von der Anfrage „getroffen und irritiert.“ Auch Greenpeace beantwortete die sie betreffenden Fragen auf der eigenen Website.

Gemeinnützigkeitsexperten wie Dr. phil. Rupert Graf Strachwitz ordnete Teile des Fragenkatalogs sogar als rechtswidrig ein. Er stellte auch fest, dass viele der Angaben unter das Steuergeheimnis fallen, was eine Beantwortung unmöglich macht. Auffällig auch, dass viele der Fragen durch einen Blick ins Transparenz- oder Lobbyregister hätten beantwortet werden können. Die Information, wann eine Organisation zuletzt auf ihre Gemeinnützigkeit hin geprüft wurde, ist beispielsweise im neuen Zuwendungsempfängerregister öffentlich und frei einsehbar. „Omas gegen Rechts“ haben gar keinen gemeinnützigen Status, wie man ihrer Website leicht entnehmen kann. Hier offenbart die CDU-CSU-Fraktion auch fehlende Fachkompetenz.

Kalkulierter Angriff auf Zivilgesellschaft

Timo Rheinfrank, Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung, spricht sogar von einem „kalkulierten Angriff auf zivilgesellschaftliche Organisationen“ und sagt „erst verbreiten rechtsalternative Medien gezielt Desinformationen, dann greifen konservative Politiker diese auf und verleihen eine vermeintliche Seriosität.“

Stefan Diefenbach Trommer, Sprecher der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. macht deutlich, wo aktuell die Grenze für politische Betätigung eines Vereins liegt: „Vereine sind Teil der Gesellschaft und Träger von Grundrechten wie der Meinungsäußerungsfreiheit. Das erkennen die Finanzminister:innen aller Bundesländer an. Wenn also ein Verein aus seiner Grundhaltung heraus oder auf der Grundlage seines gemeinnützigen Zweckes eine Partei oder einen Politiker kritisiert, ist das erlaubt.“ Auch Verfassungsrechtlerin Prof. Sophie Schöneberger kritisiert im ARD-Interview die CDU-CSU-Fraktion für den Missbrauchs des Fragerechtes und befürchtet einen „Einschüchterungseffekt“.

Keine gemeinsame Stimme der Gemeinnützigkeit

Nur ein zentraler Verbund bleibt dazu wieder stumm: Das Bündnis für Gemeinnützigkeit. Offenbar konnten sich Mitglieder des Bündnisses nicht auf eine gemeinsame Position hinsichtlich der kommenden Kanzlerpartei einigen. Wohl auch deshalb sind Mitglieder des Bündnisses mit eigenen Erklärungen an die Öffentlichkeit gegangen, wie beispielsweise der Bundesverband deutscher Stiftungen.

Er fordert alle demokratischen Parteien auf, zu einem sachorientierten, respektvollen Umgang mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zurückzukehren, auch wenn deren Stimme mitunter unbequem sein mag. Auch der Deutsche Fundraisingverband als Bündnismitglied stellt klar: „Gemeinsam mit unserem Netzwerk setzen wir uns dafür ein, dass gemeinnützige Organisationen ihre wichtigen Aufgaben weiterhin unter fairen und verlässlichen Bedingungen erfüllen können.“

Offenen Brief unterzeichnen

Auch ein von der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung initiierter offener Brief an die CDU-CSU kann von Vereinen und Stiftungen unterzeichnet werden. Über 220 Organisationen haben das bereits getan. Timo Rheinfrank erläutert. „Mit der Aktion möchten wir in einen konstruktiven Dialog mit der Union treten. Unser Ziel ist es, die Rolle der Zivilgesellschaft in einer Demokratie zu verdeutlichen und auf die Bedeutung unserer Arbeit hinzuweisen. Eine Unterzeichnung ist mit einer einfachen E-Mail an die Organisatoren möglich.

Wissenschaft ist alarmiert

Durchaus beachtlich ist die Reaktion aus der Wissenschaft 1.767 Personen unterzeichneten bisher einen offenen Brief an die CDU-CSU-Fraktion in dem sie ihre Sorge zum Ausdruck bringen. „Es verbittet sich, Nichtregierungsorganisationen, wie die Kleine Anfrage durch die Bezugnahme auf einen tendenziösen Beitrag in der Zeitung „Die Welt“ suggeriert, als „Schattenstruktur“ oder gar als Ausdruck eines „tiefen Staates“ zu diffamieren. Vielmehr bilden NGOs in transparenter Weise eine tragende Säule demokratischer Willensbildung und friedlicher Konfliktaustragung“, heißt es dort.

Gefährdung der Spendenbereitschaft

Gerade diese Verschwörungserzählungen und die Unterstellung eines „NGO-Deep-State“, der die Regierung lenkt, können zu einer nachhaltigen Schwächung der Demokratie und auch der Spendenbereitschaft für den gesamten gemeinnützigen Sektor führen. Attac kritisiert scharf, dass die Union den rechtsextremen Kampfbegriff des „Deep State“ übernimmt, mit dem Trump, Musk & Co. beispielsweise auch die Auflösung der staatlichen Entwicklungshilfe USAID in den USA rechtfertigen. „Das ist brandgefährlich und beschädigt die Demokratie“, so Attac-Geschäftsführerin Frauke Distelrath. Auch Attac hat die Fragen zu ihrer Organisation mittlerweile selbst beantwortet.

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