NGO und Politik – wohin geht die Reise?

Inschrift "Dem deutschen Volke" Reichstagsgebäude Berlin

Gerade erst wurde mitgeteilt, wie viele NGOs auf Verfassungstreue geprüft wurden. Gleichzeitig plant die aktuelle Bunderegierung steuerliche Entlastungen und Bürokratieabbau für NGOs. Wie steht die Politik aktuell zu NGOs?

Gerade brachte eine parlamentarische Anfrage der Linken den aktuellen Stand der Überprüfung nach dem sogenannten Haber-Verfahren ans Licht. Danach wurden in den Jahren 2020 bis 2024 insgesamt 1.250 NGOs und 1.296 Einzelpersonen nach dem von Emily Haber entwickelten Verfahren auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft. Dieses Verfahren soll vermeiden, dass Politiker sich mit den falschen Organisationen einlassen oder diese staatlich gefördert werden. Bei 210 Fällen gab es seitens des Verfassungsschutzes rechtliche Bedenken. Das sind acht Prozent.

Das Verfahren sieht vor, dass Ministerien zunächst zugängliche Quellen nutzen, also beispielsweise Verfassungsschutzberichte. Sollte das nicht zur Klärung beitragen, können sich die Ressorts direkt an den Bundesverfassungsschutz wenden. Es handelt sich dabei aber nur um ein internes Verfahren, dessen Ergebnis aber auf Empfehlung des Bundesinnenministeriums zu keiner Förderung führen soll.

Kommunen sollen entscheiden

Immer noch im Fokus ist auch das Bundesförderprogramm „Demokratie leben“. In der Bundestags-Haushaltsdebatte kündigte Anne König von der CDU/CSU Fraktion eine konsequente Evaluierung des Programms an. Demokratie wachse nicht in Programmbüros, sondern vor Ort in Vereinen, Initiativen und im Ehrenamt, sagte sie. „Dort liegt der soziale Kit unseres Landes“, und kritisierte damit das Hauptamt. Die zuständige Ministerin Karin Prien verdeutlichte dagegen, dass dieses Programm für Wohlfahrtsverbände und Landesjugendringe von entscheidender Bedeutung sei. Was natürlich im Widerspruch zu ihrer Parteikollegin steht, denn gerade diese Organisationen verfügen über ein Hauptamt. In Zukunft solle die Zielrichtung des Programms nach der Ministerin „noch stärker auf die Kommunen ausgerichtet sein“. Die Mittel sollten stärker noch „in der Mitte der Gesellschaft ankommen“. Man darf gespannt sein, wie Kommunen mit AfD-Bürgermeistern oder hohen Anteilen in den Kommunalparlamenten dann über Mittel aus dem Programm entscheiden.

Denn ein aktuelles Beispiel aus dem sächsischen Wurzen zeigt, wie bereits jetzt die Finanzen von Demokratie-Initiativen durch kommunale Beschlüsse ausgehebelt werden. Dort ist seit vielen Jahrzehnten das „Netzwerk für Demokratische Kultur e.V.“ (NDK) aktiv. Der Verein sanierte beispielsweise das Haus am Domplatz 5 mit viel Ehrenamt zu einem Kultur- und Tagungshaus. Er erhielt 2023 den Ferry-Porsche-Preis für das Projekt „Heldinnen wie wir“ und organisierte Stolpersteinverlegungen.

Fallbeispiel Wurzen

Doch diese Demokratiearbeit war offenbar nicht ausreichend, den kommunalen Anteil für die sächsische Kulturraumförderung für das NDK im aktuellen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Die Fraktionen von „Bürger für Wurzen, AfD und CDU“ wollten die nötigen 13.000 Euro nicht ausgeben. Daraufhin fanden sich Wurzener Bürgerinnen und Bürger zusammen, die die Summe innerhalb kürzester Zeit spendeten. Doch dieselben Fraktionen lehnten die Annahme dieser Spende mit diesem Zweck ab. Damit waren 70.000 Euro Landesförderung für den Verein und die kommunale Kultur- und Demokratiearbeit futsch und Stellenstreichungen und die Kappung von Angeboten notwendig.

In einer Stellungnahme des Vereins heißt es: „Dass die AfD diese Arbeit und den Kulturraum als ganze Institution nicht schätzt, ist kein Geheimnis und offen ausgesprochen. Dass andere Parteien auf diesen Zug aufspringen, ist eine besorgniserregende Entwicklung. Katja Meier, sächsische Landtagsabgeordnete der Grünen kritisiert deutlicher: „Diese ideologische Politik aus Angst vor rechten Schreihälsen schwächt die Zivilgesellschaft vor Ort und sendet das fatale Signal: Demokratiearbeit ist in Wurzen nicht erwünscht. Das ist verantwortungslos.“

Die Perspektive, dass die Kommunen zukünftig stärker Mittel aus dem Programm Demokratie leben vergeben, sorgt daher eher für Unruhe bei ostdeutschen Initiativen. Für das Wurzener NDK ist Aufgeben aber keine Lösung: „Es gibt Menschen, die das, was wir machen, nicht sinnvoll oder gar unsinnig finden und die sich schon lange wünschen, dass es uns hier nicht mehr gibt. Menschen, die demokratische Werte, die für ein gesellschaftliches Miteinander, Solidarität und Respekt stehen, nicht teilen. Aber das NDK ist vor 25 Jahren in Wurzen angetreten, um diese Werte zu stärken, und wir werden nicht damit aufzuhören“, so Martina Glass, Geschäftsführerin des Vereins.

Mehr Transparenz ist vertrauensbildend

Eins der wenigen Argumente der Gegner des Projekts war in dem Zusammenhang die „mangelnde Transparenz der verwendeten Mittel“ des NDK. Doch gerade die Mittelverwendung soll nach einem Beschluss der Koalition aus CDU/CSU und SPD gerade so reformiert werden, dass 90 Prozent der gemeinnützigen Organisationen in Deutschland keine Mittelverwendung mehr nachweisen müssen. Im aktuellen Steuergesetzentwurf, der gerade beim Bundesrat liegt, ist zu lesen, dass die Grenze für eine Prüfung bei Gesamteinnahmen von 100.000 Euro liegen soll. Damit würden übrigens nicht nur die NGOs von unsinnigen Rücklagenbildungen entlastet, sondern auch die Finanzbehörden von einem eigentlich enormen Prüfungsaufwand. Sozusagen ein Vertrauensbeweis und eine Win-Win-Situation. Wie die Politik also zur Zivilgesellschaft steht, ist aktuell nicht so klar. Zweifelsohne wäre es klug, wenn NGOs sich stärker um Transparenz bemühen würden und so auch Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. So wie zuletzt bei der Beantwortung der kleinen Anfrage mit 551 Fragen an die Bundesregierung, als viele Organisationen bereitwillig Auskünfte gaben. Vertrauensbildende Maßnahme, sozusagen.

Bildquellen

  • Berliner Reichstag: Benjamin Kerber/Pixabay

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