Gaming: ein unterschätzter Partner fürs Gemeinwohl

junger Typ vor Gaming-PC

Gaming ist Massenkultur und laut einer Studie auch politischer Resonanzraum. Junge Communitys zeigen hohes Engagement, organisieren Spendenstreams und diskutieren über Demokratie. Doch es gibt neben Chancen für NGOs auch Gefahren.

Die Gaming-Welt ist längst kein Nischenhobby mehr. Sie ist ein Massenphänomen und ein bedeutender sozialer Raum. Mehr als zwei Drittel der Deutschen ab 16 Jahren spielen digitale Games, bei den 16- bis 34-Jährigen sind es laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung sogar 86 Prozent. Vor allem junge Menschen vernetzen sich in Communitys auf Twitch, YouTube, Discord oder TikTok. Dort geht es um mehr als Highscores und Bosskämpfe: Es wird diskutiert, organisiert und politisiert.

Politisch aktiv und demokratisch

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt eindrucksvoll, dass die Gaming-Zielgruppe politisch aktiver ist als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. 45 Prozent dieser Gruppe haben in den vergangenen zwölf Monaten an einer Bürgerbeteiligung oder Unterschriftenaktion teilgenommen – mehr als in der Gesamtbevölkerung (39 %). Bei politischen Kommentaren in Social Media (43 zu 25 %) und bei Demonstrationsteilnahmen (27 zu 14 %) ist der Unterschied noch deutlicher. Zudem vertrauen Gamerinnen und Gamer der Demokratie überdurchschnittlich stark: 65 Prozent glauben, dass das politische System funktioniert (Gesamt: 55 %). Gaming-Räume sind damit, anders als häufig angenommen, keineswegs unpolitisch, sondern Orte demokratischer Aushandlung.

Jessica Gehrke von der Bertelsmann-Stiftung stellt dazu fest, dass Gaming-Communitys gar nicht so anders sind als ein Kegelverein oder ein Spieleabend im vertrauten Familienkreis: „Da finden Diskussionen statt, da ist Zwischenmenschlichkeit. Da reden die Leute über Gott und die Welt, da sind Räume für politische Teilhabe.“

Schattenseiten gibt es auch

Gleichzeitig sind sie identitätsstiftend. 43 Prozent der jungen Männer zwischen 16 und 34 Jahren fühlen sich einer Gaming-Community zugehörig, mehr als die Hälfte hat über Games Freundschaften geschlossen – viele davon übertragen sich in die analoge Welt. Gaming kann gemäß der Studie Brücken bauen und soziale Bindungen stärken, gerade in einer Gesellschaft, in der Vereinsamung ein wachsendes Problem ist.

Doch Gaming-Communitys haben auch Schattenseiten: Je intensiver der Austausch, desto häufiger berichten Menschen, die dort unterwegs sind, auch von Diskriminierung und Mobbing. Antisemitische, sexistische und queerfeindliche Einstellungen treten unter den stark vernetzten Gamerinnen und Gamern häufiger auf als im Durchschnitt. Diese Ambivalenz zeigt: Gaming ist kein Paralleluniversum, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. Der Vorteil: Hier sind Zielgruppen zu erreichen, an die klassische Institutionen kaum noch andocken.

Warum wichtig für NGO?

Genau hier liegt ein enormes, bisher viel zu wenig genutztes Potenzial für zivilgesellschaftliche Akteure. Kommunizieren NGOs nur über klassische Kanäle, schließen sie jene aus, die ihre Debatten und Informationen längst woanders beziehen – in Livestreams, Voice-Chats oder Games-Foren. In den USA gehören laut CIRCLE, dem Center for Information & Research on Civic Learning and Engagement, Twitch-Streams schon heute zu den wichtigsten Quellen politischer Information für junge Menschen. Deutschland steht an derselben Schwelle.

Zugleich hat die Szene gezeigt, wie groß ihre Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement ist – nicht nur politisch, sondern auch sozial. Charity-Streams, Spenden-Marathons oder In-Game-Fundraising gehören inzwischen fest auch zur deutschen Kultur. Große Community-Events wie „Friendly Fire“ oder „Loot für die Welt“ haben in den letzten Jahren Millionenbeträge für Gesundheit, Katastrophenhilfe oder Kinderrechte gesammelt. Die Mechanik ist stets dieselbe: Gemeinschaft, Sichtbarkeit, Emotionalität – und ein niedrigschwelliger Klick zum Mitmachen.

Potenzial nutzen

Damit Engagement aus der Gaming-Bubble in die Breite wirkt, müssen NGOs dort aktiv werden, wo junge Zielgruppen wirklich sind. Erfolgreich sind vor allem drei Strategien: Erstens, die Kooperation mit Creators. Diese wirken als Vertrauenspersonen für die Community und wissen über Ihre Zielgruppe sehr gut Bescheid. So sind Reichweite und Relevanz zu gewinnen.

Zweitens geht es um Partizipation statt Frontalbotschaft. Gamification, Challenges, Live-Formate oder Community-Voting schaffen Beteiligung. Man wird schnell Teil der guten Sache. Wichtig ist dabei ein Dialog auf Augenhöhe ohne pädagogischen Zeigefinger.

Drittens können NGOs hier als Moderationspartner auftreten und toxische Debatten mit ihrem Know-How auflösen. Zum Beispiel als Anbieter digitaler Zivilcourage-Trainings oder als Ansprechpartner für Betroffene von Hass, Mobbing oder Ausgrenzung.

Gaming-Communitys sind heute gesellschaftliche Erfahrungsräume für Millionen junger Menschen. Sie vereinen demokratisches Potenzial, soziales Engagement, aber auch Konflikte, die Aufmerksamkeit brauchen. Wer die Demokratie stärken und junge Menschen erreichen will, kommt an ihnen nicht vorbei. Auf der Basis der Bertelsmann-Studie ist für NGOs jetzt der richtige Moment, diesen Raum nicht nur zu beobachten, sondern aktiv mitzugestalten.

Bildquellen

  • Gaming: pixabay

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