Die Befürchtungen sind groß, dass nach der Zerschlagung von USAID in den USA durch Donald Trump auch der zweitgrößte Geber für internationale Entwicklungszusammenarbeit nach demselben Muster verfährt: Deutschland. Das Entwicklungshilfeministerium droht aufgelöst zu werden.
Als der Außenminister der USA Marco Rubio am 10. März verkündete, dass er 83 Prozent der amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit einspart und die verbliebenen knapp 1.000 Projekte seinem Außenministerium eingliedert, war das für Politik-Profis ein weiteres Beispiel für die folgenschweren Fehleinschätzung der Präsidentschaft Trump.
Amerikanische Diplomaten meldeten sich zu Wort. Sie befürchteten, dass dieses Vorgehen Partnerschaften mit wichtigen Verbündeten gefährdet und das Vertrauen in die USA untergräbt. Außerdem sehen sie es als eine Gefahr für die Interessen der Gegner der USA, weil es ihnen ermöglicht, ihren Einfluss in den Gebieten, aus denen sich die US-Amerikaner zurückziehen, nun auszuweiten. „Auslandshilfe ist keine Wohltätigkeit. Stattdessen ist sie ein strategisches Instrument, das Regionen stabilisiert, Konflikte verhindert und die Interessen der USA fördert“, schrieben die Diplomaten an den Präsidenten.
Großbritannien: warnendes Beispiel
Tatsächlich ist dieses Vorgehen nicht neu. Großbritannien hat schon 2020 die Entwicklungszusammenarbeit ins Außenministerium integriert und drastische Etatkürzungen vorgenommen. Das Ergebnis ist laut einer Studie des gemeinnütziger Think Tank Kooperation Global, dass die britische Entwicklungszusammenarbeit dadurch in ihrer Effektivität und Transparenz geschwächt wurde. Das sollte eigentlich verbessert werden. Außerdem wurden die langfristigen entwicklungspolitischen Ziele zugunsten kurzfristiger außenpolitischer Interessen vernachlässigt. Das hätte Partnerschaften und die britische Handlungsfähigkeit auf internationalem Parkett geschwächt. Ähnlich verlief es in Kanada und Australien.
Auch die Wahlaussagen in Deutschland ließen bereits nichts Gutes vermuten. Die CSU wollte alles auf den Prüfstand stellen, die CDU das Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit in das Auswärtige Amt integrieren. Viel schlimmer aber: Der Etat soll noch stärker sinken als in den letzten Jahren. Kolportiert wird eine CDU-Forderung nach Kürzung von 50 Prozent.
Unklare Lage alarmiert NGOs
Diese unklare Lage alarmiert nun die Non-Profit-Organisationen. So unterzeichneten sieben Organisationen, darunter die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) ONE, Help e.V. und Oxfam einen Appel: „Hände weg vom BMZ!“ „Die Idee der Eingliederung des BMZ ins Auswärtige Amt trägt weder zur Effizienzsteigerung noch zu einer erhöhten Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit bei. Das Gegenteil ist der Fall“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Das BMZ müsse am Kabinettstisch als eigenständige Stimme erhalten bleiben, um weiter auf Augenhöhe mit den anderen Ministerien zu sein.
Auch VENRO, der Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen befürchtet bei der Zunahme von Konflikten sowie dem Ausfall der US-Entwicklungsleistungen (USAID) und Kürzungsplänen in vielen europäischen Ländern (Niederlande, Belgien, UK) eine dramatische Versorgungskrise in weiten Teilen des globalen Südens. „Überall auf der Welt schauen Menschen gerade nach Deutschland und erwarten unsere Reaktion auf die dramatische Entwicklung bei USAID und anderswo“, so Michael Herbst, VENRO-Vorstandsvorsitzender und fordert auf, langfristige Entwicklungsziele im Blick zu behalten: „Ein eigenständiges Entwicklungsministerium sorgt dafür, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht unter den Tisch fällt“, so Herbst.
Bereits jetzt spüren auch deutsche NGOs, die in der internationalen Hilfe unterwegs sind, den Ausfall von USAID. Berichte von Kürzungen und der Aufkündigung von Projekten häufen sich. Gerade in Bereichen wie Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, HIV-Prophylaxe und Malaria-Bekämpfung hat das furchtbare Folgen für die Betroffenen vor Ort.
Deutschland hat Ausgaben bereits gekürzt
Auch aus den Statements von fünf Kinderrechtsorganisationen aus Deutschland lässt sich einiges herauslesen. Child Fund, Plan International Deutschland, Save the Children, SOS-Kinderdörfer weltweit und Terre des Hommes fordern darin eine Ausweitung der finanziellen Hilfen durch Deutschland. Das hatte sich eigentlich dazu verpflichtet 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit (ODA) einzusetzen. Ein Ziel das Deutschland bisher nur in sehr wenigen Jahren wirklich erreicht hat. Durch die geplanten Milliarden- Kürzungen im aktuellen Haushalt der Ampel-Koalition, wird es bereits weit unterschritten.
Internationale Hilfe gut evaluiert
Dass die angekündigten Kürzungsorgien immer wieder mit fehlender Effizienz begründet werden, findet Prof. Achim Kemmerling, Inhaber der Gerhard Haniel Professur für Public Policy and International Development an der Uni Erfurt, nicht nachvollziehbar: „Entwicklungszusammenarbeit ist vermutlich das am besten evaluierte Politikfeld überhaupt. Wir wissen häufig sehr viel mehr darüber, welche Wirkungen bestimmte Programme oder Projekte zum Beispiel im Bereich der Armutslinderung haben, als über vergleichbare Vorhaben anderer deutscher Ministerien.“ Mit dem Deutschen Institut für die Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hätte Deutschland außerdem ein zentrales wissenschaftliches Institut, „das regelmäßig die Wirksamkeit und Sparsamkeit deutscher Entwicklungszusammenarbeit untersucht.“
Spenden keine Alternative
Man darf gespannt sein, ob sich die Verhandlungsführerin der SPD und noch aktuelle Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze in der Arbeitsgruppe 12 „Außen und Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte“ der Koalitionsverhandlungen gegen die Kahlschlagpläne aus der Union durchsetzen kann. Denn sonst droht dasselbe Schicksal wie in den USA. Das würde alle deutschen NGOs noch härter treffen. Schon die angekündigten Kürzungen im Etat 2024/2025 des BMZ sorgten dafür, dass keine neuen Verpflichtungen eingegangen werden konnten und sogar Kündigungen und Sparmaßnahmen ergriffen wurden. Auch mit Spenden ist das nicht aufzufangen. Eine angestrebte Kürzung des neuen BMZ-Haushalts durch die CDU von 12,2 Milliarden auf nur noch 6,1 Milliarden Euro, ist durch private Spenden nicht aufzufangen.
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