„Als Philanthropie-Beraterin muss man langfristig denken“

Bettina Trabandt

Nach vielen Stationen in Deutschland ist Bettina Trabandt wieder in ihrer Heimatstadt Frankfurt am Main tätig. Für die Stiftung Polytechnische Gesellschaft baut sie das Fundraising auf. Wir sprachen über viel Geld, sowie Chancen und Probleme in der Philanthropie-Beratung in der hessischen Metropole.

Was macht die Stiftung Polytechnische Gesellschaft?

Zunächst einmal haben wir einen sehr lokalen Bezug. Wir fördern nur Projekte in Frankfurt am Main und sind selbst operativ mit eigenen Programmen tätig. Eines der wichtigsten Themen für die Stiftung ist das Thema Bildung, und zwar in allen möglichen Bereichen. Wir bilden Menschen weiter und fördern sie so in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, um dann der Gesellschaft auch etwas zurückgeben zu können.

Wie viele Projekte sind das?

Wir fördern rund 100 Projekte von Projektpartnern pro Jahr in Frankfurt, und dazu kommen noch unsere eigenen operativen Programme.

Ich bin auch für das Fundraising für die Polytechnische Gesellschaft und unserer Schwesterinstitute zuständig. Dazu gehören das Institut für Bienenkunde, die Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte, der Kammermusikverein, das Kuratorium Kulturelles Frankfurt sowie der Kunstgewerbeverein.

Das hört sich nach vielen Themen, aber auch nach viel Geld an.

Das ist richtig. Der Mutterverein, die Polytechnische Gesellschaft, wurde 1816 im Geiste der Aufklärung gegründet. Der Verein gründete zum Beispiel die Frankfurter Sparkasse 1822, um Handwerkern und kleinen Betrieben Kredite zu geben. Erst vor 20 Jahren veräußerte der Verein die Sparkasse an die Hessische Landesbank. Aus einem Teil der Erträge wurde die Stiftung Polytechnische Gesellschaft gegründet. Aktuell verfügen wir über fast eine halbe Milliarde Euro Stiftungskapital, davon fließen rund acht Millionen Euro in unsere Projektarbeit, insgesamt seit der Gründung 111 Millionen Euro. Damit kann man schon etwas bewegen und verändern.

Was ist Ihr aktuelles Lieblingsprojekt bei der Stiftung?

Das ist das Diesterweg-Stipendium für Kinder und ihre Eltern. Da werden Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern über zwei Jahre beim Übergang von der vierten in die fünfte Klasse begleitet. Die Eltern sollen dabei als Bildungsbegleiter ihrer Kinder gestärkt werden. Familiäre oder sprachliche Gründe machen es Eltern oft schwer, ihre Kinder adäquat zu unterstützen. Das kann dazu führen, dass Kinder ihre schulischen Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen können. So sind unter den Kindern, die häufig einen Migrationshintergrund haben, auch welche, deren Eltern IT-ler aus Indien sind. Da könnte man jetzt denken, die müssten doch gut verdienen. Das schon, aber trotzdem wird zu Hause oftmals nicht Deutsch gesprochen. Für die Integration der Kinder in der Schule ist das aber wichtig.

Das Thema Demokratieförderung ist auch ein ganz wichtiges Thema, was wir immer weiter ausbauen, weil Demokratiebildung nicht nur an Gymnasien, sondern zum Beispiel auch an Berufsschulen gehört.

Worin liegt denn dann aber die Begründung, ins Fundraising einzusteigen?

Ganz simpel: Wir könnten noch viel, viel mehr tun.

Geht es auch um eine stärkere Beteiligung der Stadtgesellschaft Frankfurt an diesen ganzen Themen?

Auf jeden Fall. Bisher erfolgte sowas wie Fundraising eher zufällig; zum Beispiel reagierte jemand auf einen Beitrag in der Tagespresse, und wir bekamen auch schon Spenden und sogar Erbschaften. In den letzten zehn Jahren kamen so insgesamt rund zehn Millionen Euro zusammen. Durch Fundraising können wir die Bürgerschaft zum Mitmachen und Mitwirken animieren. Unser Motto ist ja: Wir bauen ein Wir. Und das ist auch eine Einladung, sich für Frankfurt zu engagieren.

Wie waren denn jetzt die ersten 200 Tage bei der Stiftung?

Also ganz ehrlich, ich glaube, ich kenne immer noch nicht alle Programme in der Tiefe. Ich bin ja geholt worden, um den Bereich Philanthropie aufzubauen. Also: das Erbschafts- und Großspendenfundraising. Da existieren natürlich enorm viele inhaltliche Anknüpfungspunkte für Engagement und Mäzenatentum. Allerdings gibt es auch „ganz normale“ Baustellen, wie eine funktionierende Fundraising-Datenbank. Deshalb drehe ich immer noch Runden mit der IT und der Buchhaltung, um Fundraising sinnvoll in die bereits laufenden Prozesse zu integrieren.

Und dann steht dieses Jahr auch noch das 20- jährige Jubiläum der Stiftung an …

Das ist natürlich eine wunderbare Chance. Wir haben Kontakt zu Unternehmen aufgenommen, um Sponsoren zu gewinnen. Da ich erst am 1. Oktober 2024 angefangen habe, war klar, dass die meisten Budgets für Sponsoringevents des Folgejahres schon weg sind. Trotzdem ist es eine Chance, mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen, sei es für Spenden, Kooperationen oder Praktikumsplätze für unsere Bildungsarbeit. Aber ganz ehrlich, bis man endlich ins Vorstandbüro von Firmen vordringt, das ist schon unglaublich kompliziert geworden. Ich sehe das jetzt als eine gute Vorbereitung für das 25-jährige Jubiläum. Als Philanthropie-Beraterin muss man langfristig denken. Aber es ist schön, wenn man so ein wunderbares Jubiläum, das viel Aufmerksamkeit schafft, vor der Brust hat. Da muss man einfach loslegen.

Wie kommt das Thema beim Stiftungspersonal so an?

Sehr gut. Alle bei uns in der Stiftung wollen Fundraising etablieren und das macht es unheimlich spannend. Nichts ist tödlicher im Fundraising, als wenn jemand anruft und einem gesagt wird: Spenden haben wir gar nicht nötig.

Sie sprechen von Philanthropie-Beratung. Wissen die Menschen wirklich nicht wohin mit ihrem Geld für die gute Sache?

Sehen Sie, ich glaube das Vertrauen, mit seinem Geld an der richtigen Stelle zu sein, kann durch eine gute Betreuung erwachsen – und das ist mein Job. Dafür muss ich diese vermögende Zielgruppe aber erstmal ins Bild setzen. Da habe ich es schon leicht, weil wir als Stiftung beim Thema Bildung in Frankfurt vorne mit dabei sind. Hilfreich ist auch, dass wir mit so viel Erfahrung, einem breiten Netzwerk und extremen Know-how gesegnet sind, um wirklich Veränderungen zu bewirken. Das hilft dann auch in den Gesprächen, zu denen ich meine Kolleginnen und Kollegen mitnehme. Auch die Förderung vor der eigenen Haustür ist hilfreich und schafft Vertrauen.

Liegt die Schwierigkeit, sich zu entscheiden, nicht auch an Ihren vielen Themen?

Nun, das entspricht ja auch ein bisschen dem Charakter einer polytechnischen Einrichtung. Der Begriff kommt aus der Aufklärung und umfasst im Kern die vielfältigen Fähigkeiten der Menschen. Da braucht es auch eine Philanthropie-Beratung, um die Wünsche der Spenderinnen und Spender mit denen der Organisation in Gleichklang zu bringen. Wir wollen zukünftig ein Dach für Treuhandstiftungen werden. Ich denke, viele Menschen möchten gern Themen oder ihren Namen verewigen. Aber warum damit warten, wenn man es noch zu Lebzeiten erleben kann? Dafür braucht es eine gute Beratung.

Frankfurt gilt als spannende, aber nicht unbedingt lebenswerteste Stadt. Wie empfinden Sie es?

Ja, Frankfurt ist nicht an allen Stellen schön. Aber welche Stadt ist das schon? Auch in Lüneburg wusste ich, in welche Ecken ich besser nicht gehe. Ich hatte mir tatsächlich nicht vorstellen können, wieder zurück nach Frankfurt zu gehen, meine Familie wohnt nach wie vor in Lüneburg. Aber Frankfurt ist eine der internationalsten Städte überhaupt. Darauf sollte man stolz sein. Unsere Aufgabe als Stiftung ist es, alle Leute mitzunehmen und zu sagen: Wir sind nur eine Gesellschaft, wenn wir alle gemeinsam am gesellschaftlichen Zusammenhalt arbeiten. Ich glaube, das ist das Wichtigste: dass jeder seinen Beitrag dazu leisten kann. Das ist ja auch das Motto der Stiftung. Es gibt kaum eine Stadt, wo so viel möglich ist und wo auch so viel Verantwortung gespürt wird. Für mich ist Frankfurt nach 200 Tagen wieder ein echter place to be. Ich sehe hier viele Chancen und möchte das hier zum Laufen bringen. Als Fundraiserin sehe ich meine Aufgabe eh als Marathon und nicht als Sprint.

Bildquellen

  • Bettina Trabandt: Stiftung Polytechnische Gesellschaft

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