Eine EU-Verordnung hat am 10. Oktober 2025 zu einem Verbot politischer Werbung auf Plattformen wie Google und META gesorgt. Doch was heißt das für das Fundraising von NGOs? Weniger Reichweite, neue Strategien oder nur anderes Wording?
Mit dem Beginn der verpflichtenden Anwendung der TTPA – Verordnung über Transparenz und das Targeting politischer Werbung (Transparenz & Targeting politischer Werbung) am 10. Oktober 2025 erleben Non-Profit-Organisationen (NPOs) in der EU einen deutlichen Einschnitt in ihrer digitalen Kommunikations- und Fundraising-Strategie. Plattformbetreiber wie Meta und Google zogen sich aus dem Geschäft mit politischer Werbung komplett zurück und verändern damit die Rahmenbedingungen für Reichweite im Fundraising. Denn viele dieser Organisationen setzten auf diesen Plattformen auf Werbung, um ihre Ideen, Ziele und Spendenkampagnen bekannt zu machen.
Was ist TTPA?
Die Verordnung TTPA, beschlossen 2024, verfolgte das Ziel, politische Werbung – online wie offline – transparenter zu machen: Kennzeichnungspflicht, Archivierung im EU-Online-Register, Einschränkungen beim Targeting sowie Verbot von Werbung mit externem EU-fremdem Sponsoring vor Wahlen oder Referenden. Auch auf Websites muss politische Werbung nun gekennzeichnet werden, wie die Augsburger Allgemeine am Beispiel einer Klimainitiative berichtet.
Als Reaktion kündigten Meta und Google an, in der EU überhaupt keine bezahlte Werbung mehr für politische, wahl- oder gesellschaftlich relevante Themen, sogenannte „Social Issues“ zuzulassen und sich der TTPA-Richtlinie so zu entziehen. Meta stellte ab Oktober 2025 in allen EU-Ländern bezahlte Anzeigen zu solchen Themen auf Facebook, Instagram und Threads ein.
Das Werbeverbot betrifft nicht nur klassische Wahlkampagnen oder Parteien, sondern reicht weit hinein in Themenfelder, die gemeinnützige Organisationen typischerweise bearbeiten – etwa Gesundheit, Umwelt, Migration oder Bildung. Problem sind die unklaren Grenzen zwischen erlaubter Werbung („neutral“) und verbotenem politischen bzw. „social-issue“-bezogenen Inhalten. Das Risiko, Kampagnen zu planen, die dann ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden, ist deutlich gestiegen. Damit fällt ein beliebter und bislang zentraler Kanal zur zielgerichteten Reichweitensteigerung für Spendenaktionen oder Campaigning weg.
Was sagen die Plattformen konkret
Meta erklärt, dass Anzeigen zu „Social Issues, Elections or Politics (SIEP)“ nur zulässig sind, wenn – unter anderem – der Werbetreibende autorisiert ist und alle geltenden Gesetze einhält. In Bezug auf Spendenaufrufe wird ausgeführt: „Ads promoting donations, petitions, online advocacy actions … will no longer be possible if Meta enforces this change.“ Das heißt also: Werbeanzeigen, die Spenden- oder Unterstützungsaufrufe enthalten und zugleich gesellschaftspolitische Themen adressieren, laufen Gefahr als SIEP-Anzeige eingestuft zu werden.
Google aktualisierte im September 2025 seine Richtlinie für politische Werbung: Anzeigen, die „designed to influence the outcome of an election or referendum, voting behaviour or a legislative or regulatory process“ betreffen, sind verboten oder stark reguliert. Google unterscheidet hier klar zwischen kommerziellen Anzeigen und solchen, die einem politischen Zweck dienen, also zum Beispiel Einfluss auf Gesetzgebung oder Wahlverhalten. Google ist hier also nicht so streng wie META. Allerdings ist die Frage, ob ein Spendenaufruf unter diesen Begriff fällt, nicht explizit und vollständig geklärt.
Aktuell gibt es drei Kategorien, die sich abzeichnen:
1. Themen und Begriffe, die fast immer als „politisch / Social Issue“ gelten (hohe Wahrscheinlichkeit der Sperre, besonders bei Spendenaufrufen)
| Themenfeld (Meta/Google) | Typische Begriffe / Trigger-Wörter |
| Menschenrechte / Gleichberechtigung | Diskriminierung, Rassismus, LGBTQ+, Minderheitenrechte, Gender, Gleichstellung |
| Migration / Flucht | Flüchtlinge, Asylpolitik, Migration, Seenotrettung, „Stoppt … / Schützt …“ |
| Klima & Umweltpolitik | Klimawandel, Klimagerechtigkeit, Energiewende, CO₂-Gesetz, Naturschutzpolitik |
| Sozial- und Gesundheitspolitik | Pflege, Gesundheitsreform, Krankenversicherung, Bundestag/Gesetz, Pandemiepolitik |
| Demokratie & Rechtsstaat | Wahl, Demokratie, politische Teilhabe, Gesetzesänderung, Bürgerrechte |
| Waffen, Sicherheit, Konflikt | Polizei, Militär, Frieden, Krieg, Sicherheitspolitik |
| Forderungen an Politik / Gesetzgebung | „Wir fordern …”, „setzt ein Zeichen”, „stimmt dagegen”, „Stoppt das Gesetz“ |
Sobald ein Handlungsappell und ein politisiertes Thema kombiniert wird, zum Beispiel „Spende jetzt für Klimagerechtigkeit“, gilt es als Social-Issue-Ad und wird gesperrt.
2. Themen, die oft als „Social Issue“ eingestuft werden (mittleres Risiko; Formulierungsdetails entscheidend)
| Themenfeld (Meta/Google) | Typische Begriffe / Trigger-Wörter |
| Armutsbekämpfung / soziale Gerechtigkeit | Armut, Ungleichheit, soziale Gerechtigkeit, Hartz, Rentenpolitik |
| Bildung / Chancen | Bildungsgerechtigkeit, Schulreform, Teilhabe |
| Humanitäre Hilfe (mit Systembezug) | „Menschenrechte verletzen …“, „Politisches Versagen …“ |
| Gesellschaftliche Haltung / Werte | Haltung zeigen, Solidarität, gesellschaftliche Spaltung |
Bei Spendenaufrufen wird es kritisch, wenn der Appell mit politischem Framing verbunden wird. Etwa: „Spende, damit wir politische Missstände beenden“.
3. Themen, die meist nicht als politische Werbung gelten (geringes Risiko, selbst bei Spendenaufrufen)
| Themenfeld | unkritische Begriffe |
| Projektbezogen ohne Politikbezug | „Spende für Schulmaterial“, „Hilf einem Kind“, „Patenschaft ermöglichen“ |
| Katastrophenhilfe (akut, nicht politisch geframt) | Erdbebenhilfe, Fluthilfe, Nothilfe |
| Tierschutz (ohne Politik) | Tierpatenschaft, Schutzprogramm, Auffangstation |
| Fundraising neutral | „Wir benötigen Unterstützung für unser Projekt“, ohne gesellschaftspolitische Bewertung |
Meta signalisiert, dass reine Charity-, Service- oder Projekt-Botschaften ohne politische Dimension zulässig bleiben könnten – aber: nur noch, solange sie nicht als „Social Issue“ eingestuft werden.
Ein einfaches Beispiel: Bei einem Projekt, in dem es um Bildung für benachteiligte Kinder geht, ist wahrscheinlich „Jetzt spenden, damit wir Kindern helfen können“ noch okay. Aber ein Werbepost „Jetzt spenden, damit wir für Bildungsgerechtigkeit kämpfen“ wird gesperrt.
So können NGO auch noch reagieren
Weitere Vorschläge neben der inhaltlichen Anpassung sind:
- Strategische Neuausrichtung – Eigene Datenstrategie stärken. Also Communities, Newsletter und Kontaktformulare auf der eigenen Website ausbauen und so eigene Daten gewinnen.
- Alternative Kanäle stärker nutzen. Vorgeschlagen werden hier Influencer, Podcasts, andere Plattformendie das TTPA umsetzen (dann aber mit Transparenzhinweis)
- Einige Stimmen sehen in der Regulierung auch eine Chance: Weniger Wettbewerb um Paid Social Reichweite, stärkerer Fokus auf kreative Inhalte und organische Mobilisierung. (Politik & Kommunikation)
Einen guten Überblick gibt der Beitrag auf Neues Stiften. Das Verbot politischer Werbung auf großen Plattformen wie Meta und Google markiert, nach dem Wegfall der Spendenfunktionen auf META, einen weiteren Wendepunkt für die digitale Kommunikation von Non-Profits in Europa. Das Setzen auf Plattformen-Services als verlässlicher Kommunikationskanal ist endgültig vorbei. Der Wegfall dieses zentralen Paid-Kanals zwingt zu einer Neuorientierung. Hin zu organischen kanalübergreifenden, Daten- und Community-orientierten Strategien. Die wird allerdings Zeit brauchen und auch finanzielle Ressourcen. Denn die Sichtbarkeit der NGO wird erst einmal darunter leiden.
Bildquellen
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