Einsamkeit schwächt Demokratie

Einsamer Tramper auf leerer Straße

„Große Unterstützung der AfD durch Menschen zwischen 18 und 29 Jahren bei der letzten Bundestagswahl.“ Diese Meldung hat viele aufhorchen lassen. Die Jugend ist politisch interessiert, wie zwei aktuelle Jugendstudien zeigen. Sorge macht aber auch ein anders Thema: zunehmende Einsamkeit.

Für die Autoren der „Schell Jugendstudie“ kamen die Wahlergebnisse der Bundestagswahl nicht überraschend. Das hatte sich in den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg bereits angedeutet. Gerade junge Männer fühlten sich in der durch die AfD verbreiteten Unsicherheit über die Lage Deutschlands angezogen und verstanden. Auf der anderen Seite standen die Grünen mit einer Politik für eine offene Gesellschaft. Die Volksparteien blieben alle auf der Strecke.

Angst vor Krieg in Europa

Jugendliche sind alles andere als gefestigt. Die 19. Shell Jugendstudie zeigt, dass die Weltpolitik bei jungen Menschen in Deutschland zwischen 12 und 25 Jahren deutliche Spuren hinterlassen hat: Mehr als 80 Prozent von ihnen haben Angst vor einem Krieg in Europa. Ein ebenfalls großer Teil sorgt sich um die wirtschaftliche Lage und eine möglicherweise steigende Armut. Allerdings haben zugleich immer weniger junge Menschen Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden. Nur noch etwa ein Drittel nennt diese Sorgen. Studienleiter Prof. Mathias Albert: „Das ist in unserer Zeitreihe ein historischer Tiefstand.“

Die Themen Klimawandel und Umweltverschmutzung machen weiterhin einer Mehrheit von zwei Dritteln der Jugendlichen Angst – allerdings weniger als bei der letzten Jugendstudie 2019. Interessant ist, dass sich Jugendliche aus den neuen Bundesländern auch 35 Jahre nach dem Mauerfall nach wie vor verwundbarer und schlechter gestellt als die Gleichaltrigen im Westen fühlen. Dies zeigt sich dann auch in den Wahlergebnissen.

Positives Staatsverständnis

Trotzdem steht die große Mehrheit der Jugendlichen positiv zu Staat und Gesellschaft und sieht für sich große Zukunftschancen. Etwa drei Viertel der Jugendlichen sind der Ansicht, dass Deutschland ihnen alle Möglichkeiten bietet, ihre Lebensziele zu verwirklichen. Sie vertrauen darauf, dass alle gemeinsam als Gesellschaft eine lebenswerte Zukunft schaffen können. Vor allem das Vertrauen in die zentralen Institutionen der Bundesrepublik – vom Bundesverfassungsgericht über Bundeswehr bis zur Polizei und Europäischen Union – ist intakt und in den letzten 20 Jahren sogar kontinuierlich gewachsen.

Doch woher dann die Verunsicherung? Hier klärt eine Studie der Bertelsmann Stiftung auf. Einsamkeit sorgt für eine zunehmende Entfremdung von unserer Demokratie. Einsame Jugendliche glauben etwa nicht, dass es sich lohnt, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Das geht aus einer Befragung von 16- bis 30-Jährigen hervor.

Einsamkeit schwächt Demokratie

60 Prozent der jungen Menschen in Deutschland, die sich stark einsam fühlen, glauben nicht, dass sie politische oder gesellschaftliche Veränderungen bewirken können. Von denjenigen, die sich nicht einsam fühlen, zweifeln 42 Prozent daran, mit ihrem Handeln etwas bewegen zu können. Ein ähnliches Bild zeigt sich auf lokaler Ebene: Während sich ein Drittel der nicht einsamen Befragten die Fähigkeit abspricht, Dinge in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde verändern zu können, sind es bei den stark Einsamen mehr als die Hälfte (52 %). Auch das Vertrauen in demokratische Strukturen ist bei den stark Einsamen deutlich geschwächt: 63 Prozent zeigen sich unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, bei den nicht Einsamen sind es 41 Prozent.

Für gemeinnützige Organisationen ergibt sich daraus eine Chance und eine Gefahr gleichzeitig. Schaffen Sie es nicht, eine Jugendkultur in ihren Vereinen zu etablieren, die mehr Gemeinsamkeit schafft, könnte das mittelfristig zu noch weniger Engagement führen. „Einsamkeit beeinträchtigt das Vertrauen junger Menschen in Demokratie und Politik. Das Misstrauen wächst umso stärker, je weniger sie das Gefühl haben, sich einbringen zu können. Wenn wir junge Menschen nicht verlieren wollen, brauchen wir wirksame, niedrigschwellige Formen politischer Beteiligung – analog wie digital“, sagt Nicole Kleeb, Expertin für Jugend und Demokratie der Bertelsmann Stiftung.

Echte Mitgestaltung erfahren

Zugleich zeigen die Ergebnisse: Das Gefühl von Anerkennung und sozialer Zugehörigkeit kann für junge Menschen eine wichtige Motivation sein, sich einzubringen. Viele erhoffen sich, durch ihr Engagement gesehen und wertgeschätzt zu werden – und erleben gemeinschaftliches Handeln als möglichen Ausweg aus der Einsamkeit.

Über die gezielte Ansprache und Unterstützung einzelner Betroffener hinaus empfiehlt die Bertelsmann Stiftung daher eine gesellschaftspolitische Gesamtstrategie zur Einbindung junger Menschen, um Einsamkeit zu bekämpfen und ihr Engagement zu fördern. Neben bezahlbaren Freizeit- und Kulturangeboten sollten insbesondere sogenannte „dritte Orte“ gefördert werden – offene, kostenlose Begegnungsräume wie Jugendzentren, Stadtteilcafés oder digitale Orte, die soziale Bindung und Interaktion ermöglichen. Ebenso ist es wichtig, vor allem auf kommunaler Ebene neue und niedrigschwellige Möglichkeiten zur Beteiligung zu schaffen. Eine Chance für Vereine.

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