Der Blick auf das Vorgehen der aktuellen US-Regierung Trump gegen die eigenen Hochschulen macht die Wichtigkeit von Fundraising für eine finanzielle Unabhängigkeit auch hierzulande deutlich, meint Prof. Dr. Matthias Buntrock in einem Gastbeitrag für den ngo-dialog.
„Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie aufnehmen und einstellen dürfen und welche Studien- und Forschungsbereiche sie verfolgen dürfen.“ Diesen Satz schrieb Alan Garber, Präsident der Harvard Universität, als Antwort auf die Forderungen der US-Regierung, die Freiheit und Selbstbestimmung der Universität den ideologischen Vorstellungen der MAGA-Bewegung Donald Trumps zu unterwerfen.
Diese Antwort kostet Harvard wahrscheinlich viel Geld; über 2,2 Milliarden US-Dollar an Bundesmitteln für Harvard wurden schon auf Eis gelegt. Jetzt droht die US-Regierung mit der Sperrung von einer weiteren Milliarde Dollar und auch noch mit dem Entzug der Steuerbefreiung der bisher als gemeinnützige Organisation eingestuften Universität. Das zu riskieren, das muss sich eine Universität leisten können. Für die ebenfalls zur Ivy League gehörenden Elitehochschule Columbia Universität in New York schien der Druck schon bei, für deutsche Universitäten unvorstellbaren, 400 Millionen US-Dollar so groß, dass diese vor den Forderungen der US-Regierung kapitulierte.
Beispiellose Kampagne
Nun also der Frontalangriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre auf eine der angesehensten Universitäten der Welt, 140 Jahre älter als die USA und an der Spitze der vermögendsten Hochschulen der Erde. Die rund 53 Milliarden US-Dollar Stiftungsvermögen der Universität Harvards sind beispiellos und Ergebnis professionellen Vermögensmanagement, insbesondere aber das Ergebnis eines seit über 150 Jahren betriebenen, systematischen Fundraisings. Auch Princeton, dessen Präsident Christopher L. Eisgruber sich ebenfalls gegen die Forderungen der US-Regierung zur Wehr setzt und mit drastischen Mittelkürzungen zu rechnen hat, verfügt über ein Stiftungsvermögen von über 34 Milliarden US-Dollar. Genug Geld also, um zumindest einige Zeit Widerstand leisten zu können.
Fundraising über Jahrzehnte hinweg spielt eine zentrale Rolle für Universitäten, die eine größere Unabhängigkeit vom Staat anstreben – besonders im internationalen Vergleich. In Deutschland sind Hochschulen traditionell stark staatlich finanziert, was zwar eine breite Grundversorgung garantiert, jedoch oft wenig Spielraum für Innovation, strategische Profilbildung oder internationale Wettbewerbsfähigkeit lässt.
Warum ist Fundraising so wichtig?
Finanzielle Unabhängigkeit und Flexibilität:
Das Stiftungskapital der Universität Harvard – gespeist größtenteils durch Spenden von Alumni, Unternehmen und Stiftungen. Diese Mittel ermöglichen es, Forschungsschwerpunkte selbst zu setzen, Spitzenkräfte unabhängig von staatlichen Vorgaben einzustellen und Studierenden großzügige Stipendien anzubieten. Deutsche Universitäten könnten durch ein stärkeres Fundraising ähnliche Freiräume gewinnen, um unabhängiger von kurzfristigen politischen Entscheidungen oder Budgetkürzungen zu agieren.
Stärkung von Forschung und Lehre:
Drittmittel erlauben es Universitäten, über die Grundfinanzierung hinaus in exzellente Forschung, moderne Infrastruktur und innovative Lehrformate zu investieren. Besonders in Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, Klimaforschung oder Medizin kann Fundraising gezielte Impulse setzen, wo staatliche Mittel oft nur schwerfällig oder projektbezogen fließen.
Engere Bindung zu Alumni und Gesellschaft:
Fundraising ist mehr als das Einwerben von Geld – es ist auch Beziehungspflege. Wer Ehemalige systematisch einbindet, stärkt die Identifikation mit der Hochschule. Gleichzeitig entsteht ein Netzwerk, das langfristig nicht nur finanziell, sondern auch ideell zur Entwicklung der Universität beiträgt.
Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext:
In einer globalisierten Wissenschaftslandschaft konkurrieren deutsche Universitäten mit Hochschulen weltweit um Talente und Ressourcen. Ohne zusätzliche Finanzierung durch Fundraising wird es schwer, international mitzuhalten – sei es bei Professuren, Ausstattung oder Studierendenförderung.
Fazit:
Wenn deutsche Universitäten ähnliche Unabhängigkeit und Exzellenz wie Harvard oder Princeton erreichen wollen, braucht es neben staatlicher Unterstützung eine systematische Entwicklung von Fundraising-Strukturen. Nur so kann langfristig ein Hochschulsystem entstehen, das eigenverantwortlich, dynamisch und international konkurrenzfähig ist und im schlimmsten Fall, frei von staatlichen Repressionen, die Freiheit der Wissenschaft verteidigen kann.
Matthias Buntrock, Professor für Gesundheit- und Sozialmanagement an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management in Dortmund. Den meisten Fundraiserinnen und Fundraisern ist er als Vorsitzender des Deutschen Fundraising-Verbandes bekannt. In früheren Berufsstationen war Buntrock Regionalleiter NRW Teil des Stiftungsteam der Bethmann Bank und Geschäftsführer der Stiftung des Universitätsklinikums Essen.
Aktuelle Ergänzung: Am 22. April 2025 haben mehr als 100 Universitäten, Colleges und Wissenschaftsorganisationen in den USA eine gemeinsame Erklärung gegen den Umgang von US-Präsident Donald Trump mit den akademischen Einrichtungen des Landes unterzeichnet. Sie werfen der Trumps Regierung „beispiellose staatliche Übergriffigkeit und politische Einmischung“ vor, die das amerikanische Hochschulwesen gefährdeten. Die Universität Harvard hat Klage gegen die US-Regierung wegen der Sperrung von Bundesmitteln eingereicht. Präsident Garber sagte in einer Erklärung: „Bevor Strafmaßnahmen ergriffen werden, verlangt das Gesetz, dass die Bundesregierung mit uns darüber spricht, wie wir Antisemitismus bekämpfen und weiterhin bekämpfen werden. Stattdessen zielen die Forderungen der Regierung vom 11. April darauf ab, zu kontrollieren, wen wir einstellen und was wir lehren.“
Bildquellen
- Harvard: Stephanie Mitchell, Harvard